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Vermietung von Eigentumswohnungen (Stockwerkeigentum) über Airbnb: Prüfung der Zulässigkeit in einem Einzelfall
Urteil des Bundesgerichtes 5A_436/2018 vom 4. April 2019.
Im April 2019 hatte das Bundesgericht die Möglichkeit, einen Fall zu beurteilen, in welchem ein Stockwerkeigentümer seine Wohnung über Plattformen wie Airbnb anbot und kurzzeitig vermietete. Es stellte sich die Frage, ob eine Stockwerkeigentümergemeinschaft seinem Mitglied diese Nutzung verbieten darf oder nicht.
I. Sachverhalt
1 - Die fragliche Liegenschaft im Kanton Nidwalden ist in 27 Stockwerkeinheiten aufgeteilt. Die Zweckbestimmung der Stockwerkeinheit im Erdgeschoss wurde mit "Bootsservice-Station" umschrieben, die restlichen 26 Einheiten wurden als "Wohnungen" bezeichnet. Dem Begründungsakt ist in diesem Zusammenhang zu entnehmen:
"Jeder Stockwerkeigentümer ist an die unter Abs. B erwähnte Zweckbestimmung gebunden. Stockwerkanteile, die als Wohnungen bestimmt sind, dürfen für Geschäftszwecke nur soweit benützt werden, als dies ohne wesentliche Störungen der übrigen Eigentümer bzw. Hausbewohner möglich ist (Büros). Für Geschäftszwecke anderer Art oder in einer anderen Branche dürfen die Wohnungen nicht verwendet werden. Von dieser Bedingung sind das Areal und die Räumlichkeiten der Werft, welche einer separaten Regelung unterstehen, ausgenommen."
2 - Ziff. I./A./3. lit. b des Benutzungs- und Verwaltungsreglements präzisiert, dass
"die Verwendung für Erwerbszwecke (...) nicht gestattet (ist), ausgenommen für Büros, gemäss Lit. E des Begründungsaktes. Ausgeschlossen ist unter anderem die Benutzung der Anteile als Arztpraxis, Labor, Pension, handwerkliches Atelier, sowie für Musikunterricht und alle Betätigungen, die einen regen Kunden- und Klientenverkehr mit sich bringen."
3 - An der ausserordentlichen Stockwerkeigentümerversammlung vom 22. Juni 2015 wurde mit der erforderlichen 2/3-Mehrheit beschlossen, Ziff. I./A./3 lit. b wie folgt zu ergänzen:
"Nichtgestattet ist zudem die unregelmässige, tage-, wochen- und monatsweise Vermietung. Gestattet ist nur eine dauerhafte Vermietung."
4 - Wie dem Versammlungsprotokoll entnommen werden kann, schrieb die Tochter des Stockwerkeigentümers A. ihre Wohnung regelmässig im Internet (namentlich auf Airbnb) aus, sodass in der Liegenschaft regelmässig fremde Leute anzutreffen waren, welche auch die gemeinschaftliche Infrastruktur wie Schwimmbad, Sauna, Fitnessraum, Dachterrasse und Waschküche mitbenutzten. Diesem Zustand sollte mit dem Beschluss vom 22. Juni 2015 ein Riegel geschoben werden.
5 - Mit Entscheid vom 12. Januar 2017 wies das Kantonsgericht Nidwalden die von Stockwerkeigentümer A. auf Aufhebung des Beschlusses gerichtete Klage ab, ebenso das Obergericht Nidwalden mit Entscheid vom 12. Dezember 2017. Mit Eingabe vom 22. Mai 2018 gelangte A. ans Bundesgericht:
II. Aus den Erwägungen
1. Zur Qualifikation der kurzzeitigen Vermietung über Plattformen wie Airbnb
6 - Einleitend äusserte sich das Bundesgericht zur Rechtsnatur solcher kurzzeitigen Vermietungen über Plattformen wie Airbnb und hielt fest, dass es sich angesichts der im Zusammenhang mit der kurzzeitigen Vermietung angebotenen Zusatz-leistungen (wie Reinigen der Wohnung, Beziehen der Betten, Betreuung der Gäste, etc.) nicht um ein gewöhnliches Mietverhältnis handeln könne, sondern vielmehr um eine sogenannte "parahotelleristische Beherbergung". Charakteristisch sei dabei, dass keine auf längere Dauer ausgerichteten Verträge abgeschlossen würden, sondern dass der Gast via Plattform eine Unterkunft für eine Anzahl von Nächten buche und pro Nacht bezahle, allenfalls unter konkreter Addition einzelner Service-Dienstleistungen; zudem sei der Anbieter meist nicht frei, wen er als Gast akzeptiere und wen nicht.
2. Zur Frage, ob diese Art der Wohnungsüberlassung mit der reglementarisch vorgesehenen Nutzungsweise des "Wohnens" vereinbar ist
7 - Anschliessend hatte das Bundesgericht die Frage zu beantworten, ob diese "parahotelleristische Beherbergung" mit dem Verwendungszweck des "Wohnens" sowie den durch die Gemeinschaft erlassenen, autonomen Satzungen vereinbar ist:
8 - Unter Verweis auf die herrschende Lehre führte das Bundesgericht aus, es komme bezüglich der Vereinbarkeit entscheidend auf die konkrete Lage der Liegenschaft (also beispielsweise, ob es sich um ein städtisches Wohnhaus oder um eine Liegenschaft mit Ferienwohnungen in einem touristischen Gebiet handle) sowie auf die herkömmliche Benutzungsart und damit spezifisch auf die Umstände des Einzelfalles an.
9 - Vorliegend handle es sich um "gehobenes Wohnen" mit einer entsprechenden, dem privaten (intimen) Bereich zuzuordnenden Infrastruktur (Schwimmbad und Sauna, wohl auch Fitnessraum), welche trotz ihrer Zugänglichkeit für sämtliche Hausbewohner grundsätzlich nicht für Dritte bestimmt sei, da es sich bei der Liegenschaft nicht um eine Ferienliegenschaft, sondern um eine (Erst-) Wohnresidenz handle. Sodann sei das Ruhebedürfnis bei den Bewohnern einer dem Erstwohnen dienenden Liegenschaft tendenziell wichtiger als bei einer Ferienliegenschaft, in welcher sich die Bewohner in einem Urlaubsrhythmus befänden.
10 - Bei einer solchen Ausgangslage werde der reglementarisch vorgesehene Zweck des "Wohnens" – durch das Feilbieten einer Wohnung zur tageweisen Buchung über Plattformen wie Airbnb – gesprengt. Zudem sei sie unvereinbar mit dem reglementarisch näher umschriebenen "stillen Gewerbe"; dies umso mehr, als die Verwendung einer Wohnung "als Pension" bereits nach bisheriger Regelung explizit ausgeschlossen gewesen sei.
3. Zur Frage, ob die Stockwerkeigentümergemeinschaft berechtigt war, einen solchen Beschluss zu erlassen
11 - Schlussendlich hatte das Bundesgericht noch die Gesetzmässigkeit des strittigen Stockwerkeigentümerbeschlusses zu prüfen. Es führte dazu aus was folgt: Gestützt auf Art. 712g Abs. 3 ZGB könnten die Stockwerkeigentümer die gewünschte Benutzungsart reglementarisch und demnach in für den Einzelnen verbindlicher Art und Weise festlegen. Berücksichtigt werden müssten lediglich die Schranken, welche sich aus der Institution des Stockwerkeigentums ergäben sowie Art. 2 und 27 ZGB bzw. Art. 19 f. OR. Insbesondere dürfe das Sonderrecht des Einzelnen nicht wertmässig ausgehöhlt oder seines Kerngehaltes beraubt werden. Zutreffend vertrete die Lehre deshalb die Ansicht, dass ein generelles Vermietungsver-bot vor Bundesrecht nicht standhalten würde, da es auf einen Zwang zur Eigennutzung hinauslaufe.
12 - Demgegenüber schränke das streitgegenständliche Verbot einer tage-, wochen- oder monatsweisen Vermietung den Stockwerkeigentümer nicht stärker ein als beispielsweise ein Verbot der gewerblichen Nutzung oder die Einschränkung auf stille Gewerbe: Dem Stockwerkeigentümer werde weder im einen noch im anderen Falle die Möglichkeit genommen, den Wert seines Eigentums durch die Nutzungsüberlassung an Dritte zu kommerzialisieren. Das Verhältnismässigkeitsprinzip spiele keine Rolle, da sowohl die Zweckbestimmung als auch die Nutzungsweise grundsätzlich autonom und ohne Vornahme einer Interessenabwägung festgelegt werden dürften. Aus diesen Gründen wurde auch die Gesetzeswidrigkeit des strittigen Stockwerkeigentümerbeschlusses verneint und die Beschwerde von A. abgewiesen.
III. Fazit
13 - Im Zusammenhang mit der Anpreisung und Überlassung von Wohnungen auf digitalen Plattformen wie Airbnb, hat der Bundesrat am 8. März 2019 auf eine Anpassung der Mietrechtsverordnung (VMWG) verzichtet. Der Bundesrat kam zum Schluss, dass die geltenden Regeln ausreichen, denn für ihn stellt die Überlassung der Wohnung über Airbnb (in der Regel) einen gewöhnlichen Mietvertrag dar. Ob das Bundesgericht generell oder bloss in diesem Einzelfall eine andere Meinung vertritt, indem es die Beherbergung im Bereich der Parahotellerie einordnete, wird sich zeigen.
28. Juni 2019 / sm
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