Vereinbarter Mietzins
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Der vereinbarte Mietzins, der nach gekündigtem Mietverhältnis im Rahmen eines neu abgeschlossenen Mietvertrages vereinbart wurde, ist nach den Regeln der Anfechtung des Anfangsmietzinses zu beurteilen

Urteil des Bundesgerichts 4A_355/2017 vom 27. November 2017

Der vereinbarte Mietzins, der nach gekündigtem Mietverhältnis im Rahmen eines neu abgeschlossenen Mietvertrages vereinbart wurde, ist nach den Regeln der Anfechtung des Anfangsmietzinses zu beurteilen.

I. Sachverhalt

Der Mieter (M) und dessen Ehefrau schlossen mit dem Vermieter (V) im Jahr 2003 einen Mietvertrag über eine 4-Zimmerwohnung ab, der ursprünglich CHF 419.00 netto bzw. CHF 633.00 brutto pro Monat betrug. Auf den 1. Mai 2011 wurde der Mietzins auf CHF 655.00 brutto erhöht. Im Dezember 2014 kündigte V das Mietverhältnis infolge Zahlungsverzugs auf den 31. Januar 2015. Die Kündigung wurde von M und dessen Ehefrau (die damals in Scheidung waren) bei der Schlichtungsbehörde angefochten. Während des pendenten Schlichtungsverfahrens schlossen die Parteien einen aussergerichtlichen Vergleich ab, in welchem sie sich darüber einigten, wie hoch der Mietzins ist, der ab 1. März, 1. Juli und 1. Oktober 2015 Gültigkeit haben soll.

Unter dem Datum vom 6. März/14. April 2015 schloss M (alleine) mit V einen neuen Mietvertrag über dieselbe 4-Zimmer mit Mietbeginn am 1. März 2015 ab. Darin wurde erwähnt, dass es sich nicht um eine Familienwohnung handelt. Der Nettomietzins wurde auf CHF 619.00 monatlich festgesetzt, der Bruttomietzins auf CHF 1‘047.00, wobei dieser Mietzins erst ab 1. Oktober 2015 gelten sollte. Der Mieter bestätigte am 14. April 2015 den Empfang des neuen Vertrages, dem auch das Formular „Mitteilung des Anfangsmietzinses anlässlich des Abschlusses eines neuen Mietvertrages“ beilag. Mit Eingabe vom 19. Mai 2015 gelangte M an die Schlichtungsbehörde und beantragte unter anderem, dass (i) die Erhöhung des Nettomietzinses auf CHF 619.00 nichtig sei und (ii) der Nettomietzins per 1. März 2015 auf CHF 419.00 zu reduzieren sei.

Das Mietgericht wies die beiden Begehren von M ab und stellte gestützt auf die von den Parteien während des hängigen Schlichtungsverfahrens abgeschlossene (aussergerichtlichen) Vereinbarung die Gültigkeit folgender Mietzinse fest: per 1. März 2015 brutto CHF 655.00, per 1. Juli 2015 CHF 847.00 brutto und per 1. Oktober 2015 CHF 1‘047.00 brutto. Das Mietgericht hielt dafür, dass die von den anwaltlich vertretenen Parteien konsensual vereinbarte Mietzinserhöhung auch ohne Verwendung des amtlichen Formulars gültig sei. Zudem erwog es, das die 30-tägige Anfechtungsfrist gemäss Art. 270 OR (Anfechtung Anfangsmietzins) und gemäss Art. 270b Abs. 1 und 2 OR (einseitige Vertragsänderung) nicht eingehalten worden sei im Lichte der Tatsache, dass M das Formular zur Mitteilung des Anfangsmietzinses am 14. April 2015 ausgehändigt wurde. Das Obergericht wies die Berufung von M ab. Es liess die Frage offen, ob die Begründung im Formular zur Mitteilung des Anfangsmietzinses rechtsbeständig sei, da die Vereinbarung über die gestaffelte Mietzinserhöhung der anwaltlich vertretenen Parteien nach „einlässlichen Verhandlungen“ zustande gekommen sei, sodass die nachträgliche Berufung auf einen Formmangel ohnehin rechtsmissbräuchlich wäre.

II. Beurteilte Rechtsfragen

1. Ausnahme von der Einhaltung der strengen Formerfordernisse bei einer konsensualen Mietzinserhöhung, wenn dieser einlässliche Verhandlungen zwischen anwaltlich vertretenen Parteien vorausgegangen sind

Gemäss konstanter Rechtsprechung des Bundesgerichts kann bei einer gestützt auf eine konsensuale, das heisst einer mittels Vereinbarung festgelegten Mietzinserhöhung auf die Verwendung des amtlichen Formulars nur dann verzichtet werden, wenn feststeht, dass

(i) der Mieter die Mietzinserhöhung vollständig akzeptiert hat,

(ii) der Mieter in ausreichendem Mass über die Möglichkeit der Anfechtung des Mietzinses informiert war, auf die Anfechtung indes bewusst verzichtet hat, und

(iii) der Mieter bei dieser Vereinbarung nicht unter Druck gestanden hat (BGE 123 III 70 E. 3b).

Bemerkenswert am Urteil des Obergerichts ist, dass es auf eine Überprüfung der oben erwähnten Voraussetzungen verzichtet hat, weil es das Verhalten des Mieters als rechtsmissbräuchlich erachtet hat. Als rechtsmissbräuchlich verhält sich gemäss Obergericht eine Partei stets dann, wenn der mit der Gegenpartei abgeschlossenen Vereinbarung „einlässliche Verhandlungen“ vorangegangen sind (Erwägung Bb). Das Bundesgericht musste sich mit dieser Erwägung nicht auseinandersetzen, weil es die Beschwerde von M aus anderen Gründen abwies (siehe dazu sogleich unter Ziffer 2.).

2. Der Abschluss eines neuen Mietvertrages nach erfolgter Kündigung, die rechtskräftig geworden ist, stellt ein neues Mietverhältnis dar

Das Bundesgericht bestätigt seine Praxis, wonach der formelle Abschluss eines neuen Mietvertrages (also die Unterzeichnung eines neuen schriftlichen Vertragsdokumentes) in einem bestehenden Mietverhältnis unter denselben Parteien in der Regel kein neues Mietverhältnis begründet (BGE 131 III 566 E 3.1, S. 570; 99 II 297. E.2). Anders sieht die Rechtslage aus, wenn der Vertragsabschluss – wie vorliegend – mit einem (teilweisen) Wechsel der Mietvertrags-parteien verbunden ist (die Ehefrau von M war im neuen Mietvertrag vom 6. März/14. April 2014 nicht mehr Mietpartei) und darüber hinaus noch weitere Vertragsanpassungen vorgenommen werden, so zum Beispiel die Änderung des Nutzungszwecks oder des Umfangs des Mietobjektes (zusätzliche Nebenräume und dergleichen), geänderte Modalitäten der Mietzinsanpassung (Erwägung 2.2 mit weiteren Verweisen, insbesondere auf das Urteil des Bundesgerichts 4A_88/2013 vom 17 Juli 2017, E. 2.1. – 2.4 und 4A_576/2008 vom 19. Februar 2009, E 2.2.) Als weitere Anpassung kommt auch die Abänderung einer Sicherheitsleistung in Frage.

Nachdem der neue Mietvertrag, abgeschlossen unter dem Datum vom 6. März/14. April 2015, nur noch mit dem Mieter M (ohne Ehefrau) zustande gekommen ist, lag ein neues Mietverhältnis vor, dessen Mietzins nach den Regeln über die Anfechtung des Anfangsmietzinses zu überprüfen war. Dazu kam es allerdings nicht, da nach Ansicht des Bundesgerichts die vom Vermieter angeführte Begründung im amtlichen Formular „teilweise Anpassung an Orts- und Quartierüblichkeit gemäss aussergerichtlicher Vergleichsvereinbarung“ den Anforderungen an die Klarheit der Begründung genügte. Der Einwand von M, mit der Begründung für die Mietzinserhöhung seien absolute (Orts- oder Quartierüblichkeit) und relative Erhöhungsgründe (Kostenfaktoren) vermischt worden, verwarf das Bundesgericht, da letztere (namentlich der Hypothekar-Referenzzinssatz, die Teuerung und die allgemeinen Kostensteigerungen) nur aufgeführt wurden, um die Berechnungsgrundlagen für künftige Mietzinsgestaltungen festzuhalten.

III. Empfehlung

Nicht selten schliessen in der Praxis Vermieter mit derselben Mietpartei über dasselbe Mietobjekt einen neuen Vertrag ab. Um hier unliebsame Überraschungen zu vermeiden, ist stets zumindest ein amtliches Formular zu verwenden: Jenes betreffend Mietzinserhöhung, wenn nebst den Mietzinsmodalitäten alles beim Alten bleibt. Wenn nebst der Mietzinsgestaltung noch weitere Anpassungen im Vertrag erfolgen (z.B. Änderung der Vertragspartei, Erhöhung der Sicherheitsleistung, Umfang des Mietobjektes und weiteres mehr), ist jedenfalls dann das Formular betreffend Mitteilung des Anfangsmietzinses zu verwenden, wenn das bestehende Mietverhältnis beendigt wurde, sei es (i) durch eine rechtskräftige Kündigung oder (ii) mittels expliziter Vereinbarung, dass der neue Mietvertrag anstelle des alten tritt bzw. ersterer durch Abschluss des letzteren ersatzlos als aufgelöst gilt.

Zürich, 29. Juni 2018 / Mü

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