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Genügt es, wenn nach einer Sanierung die Mietzinserhöhung im amtlichen Formular mit dem Hinweis "wertvermehrende Investitionen - Totalsanierung CHF [Betrag]" begründet wird?
Urteil des Bundesgerichtes 4A_366/2015; 4A_368/2015 vom 13. April 2016
1. Sachverhalt
Der Vermieter einer im Sense- und Seebezirk gelegenen Liegenschaft hatte diese im Jahr 2011 saniert. Nach Abschluss der Arbeiten teilte er den am Verfahren beteiligten Mietern eine Mietzinserhöhung mit folgender Begründung mit:
Hypothekarzinssatz von 3.250% auf 2.750% |
CHF 59.45 | (-5.66%) |
Teuerungsausgleich von 109.30 Pt. auf 115.90 Pt. (2011) |
CHF 25.40 | (2.42%) |
Kostensteigerung von 03.2003 bis 02.2012 |
CHF 46.85 | (4.46%) |
Wertvermehrende Investitionen - infolge Totalsanierung |
CHF 454.00 | (43.24%) |
Im Verfahren war strittig, ob diese Mietzinserhöhung mit Bezug auf die letztgenannte Position rechtsgenügend begründet worden war
2. Rechtliche Grundlagen / bisherige Praxis des Bundesgerichts
Eine Mietzinserhöhung ist nichtig, wenn sie nicht mit dem vorgeschriebenen amtlichen Formular mitgeteilt wird, aber auch, wenn sie keine Begründung enthält (Art. 269d Abs. 1 und Abs. 2 lit. a und b OR). Art. 19 Abs. 1 lit. a Ziff. 4 VMWG verlangt darüber hinaus, dass die Begründung "klar" zu sein hat. Nach der bisherigen Praxis des Bundesgerichtes zu Mietzinserhöhungen nach Sanierungen erfüllt eine Begründung die Anforderungen von Gesetz und Verordnung, wenn die in der Begründung enthaltene Willenserklärung vom Mieter als vernünftigem und korrektem Vertragspartner unter Berücksichtigung aller massgebenden Umstände Klarheit verschafft, auf welchen Erhöhungsgrund sich der Vermieter beruft (BGE 121 III 6 E.3c, 121 III 460 E.4a/cc; Urteil 4C.328/2005 E.2.4; Urteil 4C.330/2002 E.3.1 und E.3.2; ZK-Higi N 88 zu Art. 269d OR; SVIT Kommentar N 36 zu Art. 269 OR).
3. Urteil des Bundesgerichtes
Das Bundesgericht wies zunächst darauf hin, Sinn und Zweck der in Art. 269d OR vorgesehenen Formvorschrift sei, den Mietern ein klares Bild über die Tragweite und die Berechtigung der Mietzinserhöhung zu verschaffen. Da es sich bei der Begründung im Mietzinsformular um eine Willensäusserung des Vermieters handle, sei deren Bedeutung und Tragweite bei allfälligen Unklarheiten nach den allgemeinen Grundsätzen zur Auslegung von Willensäusserungen zu bestimmen. Ausreichend klar und keiner Auslegung bedürfe eine Begründung, wenn sich der Mieter als vernünftiger und korrekter Vertragspartner unter Berücksichtigung aller massgebenden Umstände im Zeitpunkt des Zugangs Klarheit darüber verschaffen könne, auf welchen Erhöhungsgrund sich der Vermieter berufe. Diese Voraussetzung sei vorliegend grundsätzlich erfüllt.
Das Bundesgericht wies sodann auf einen Fall hin, in welchem der Vermieter auf dem amtlichen Formular lediglich einen Teil der durchgeführten Sanierungsmassnahmen erwähnt hatte. Die Mieter stellten sich im Anfechtungsverfahren auf den Standpunkt, es könnten nur diejenigen Kosten berücksichtigt werden, die den im Formular erwähnten Arbeiten zugeordnet werden konnten (im konkreten Fall Sanierung Fassade und Flachdächer, nicht aber weitere Sanierungsmassenahmen). Das Bundesgericht erachtete diesen Einwand als zu formalistisch und erwog, dass den Mietern aufgrund aller ihnen bekannten Umstände klar sein müsse, welche Sanierungsmassnahmen ausgeführt worden seien und dass die Gesamtheit der Kosten aller Sanierungsmassenahmen Anlass zur Mietzinserhöhung gegeben hatte (Urteil 4C.328/2005 E.2.3 und E.2.4 vom 9. Dezember 2005).
Gestützt auf die Vorbringen der Mieter prüfte das Bundesgericht schliesslich, ob die Begründung bei Mietzinserhöhungen wegen umfassenden Überholungen nur dann ausreichend sei, wenn sich diese auf die Baukostenabrechnung beziehe und dadurch den geltend gemachten Betrag zahlenmässig ausweise, damit die Mieter die "Plausibilität der Erhöhung abzuschätzen" vermöchten. Hierzu hielt das Bundesgericht fest, der Vermieter sei aufgrund der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen nicht verpflichtet, den zahlenmässigen Nachweis der geltend gemachten Mietzinserhöhung auf dem amtlichen Formular ausdrücklich zu erwähnen. Dies aus folgendem Grund:
Aus Art. 20 Abs. 1 VMWG ergebe sich, dass ein Mieter nach Erhalt einer Mietzinserhöhung wegen Kostensteigerungen oder wegen wertvermehrenden Verbesserungen eine zahlenmässige Begründung verlangen könne. Die 30-tägige Anfechtungsfrist werde dadurch nicht berührt. Müsste also die zahlenmässige Begründung der angezeigten Mietzinserhöhung bereits Bestandteil der Mitteilung im amtlichen Formular sein, ergäbe Art. 20 Abs. 1 VMWG keinen Sinn.
Das Bundesgericht qualifizierte im Ergebnis die im zu beurteilenden amtlichen Formular enthaltene Begründung der Mietzinserhöhung aufgrund einer Sanierung als ausreichend klar und damit als gültig.
4. Kommentar
Es ist zu begrüssen, dass das Bundesgericht davon absah, die strengen Anforderungen an die formellen Mitteilungspflichten bei Mietzinserhöhungen zusätzlich und ohne, dass dies in Gesetz oder Verordnung erkennbar ist, zu verschärfen. Behauptet ein Mieter, welcher eine Mietzinserhöhung zufolge umfassender Sanierung erhalten hat, nachdem er an einer Mieterorientierung teilgenommen und auch während der Ausführung der Sanierungsarbeiten Kenntnis von den sanierten Bereichen erlangt hat, die Begründung der Mietzinserhöhung, welche nebst einem Stichwort, wie etwa "wertvermehrende Investitionen" lediglich einen Betrag nenne, sei unklar, so setzt sich nach der hier vertretenen Auffassung dem Vorwurf des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens aus.
Zu empfehlen ist aber trotzdem, dass ein Vermieter den Mietern mindestens in einem Begleitschreiben die wesentlichen Elemente seiner Berechnung der Mietzinserhöhung bekannt gibt. Dadurch besteht zumindest die Möglichkeit, allfällige Anfechtungsverfahren zu vermeiden, weil Berater und/oder Fachstellen aufgrund dieser Angaben dem Mieter eine Einschätzung darüber abgeben können, ob und allenfalls in welchem Umfang die Mietzinserhöhung berechtigt ist. Die Angabe der Berechnungsgrundlagen verschafft also Transparenz und Vertrauen und hilft, zeitraubende Anfechtungsverfahren zu vermeiden.
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