Messweise der Pflanzenabstände und -höhen
Rechtssprechung

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Die Messweise der Pflanzenabstände und -höhen im Nachbarrecht, insbesondere bei aufgeschüttetem Terrain

1. Problematik

In der Praxis kommen Streitigkeiten zwischen Nachbarn betreffend Grenzbepflanzungen oder Grenzabstände von Pflanzen relativ häufig vor. So ärgerlich solche Dispute auch sind, ein Gang vor Gericht lohnt sich nur in Ausnahmefällen, und es empfiehlt sich – sofern der Nachbar dazu Hand bietet – diese einvernehmlich zu erledigen. Zur Vermeidung von Diskussionen, beispielsweise bei der Umgestaltung des eigenen Gartens, lohnt es sich dennoch zu wissen, wie die Grenzabstände und die Pflanzenhöhen gemessen werden. Unklarheiten bestehen diesbezüglich nicht zuletzt bei Niveau-Unterschieden des Terrains. Bezüglich der Frage, wie solche zu berücksichtigen sind, hat das Baurekursgericht des Kantons Zürich bereits vor längerer Zeit einen Entscheid gefällt.

2. Gesetzliche Grundlagen

Das Zivilgesetzbuch delegiert die Kompetenz zum Erlass von Abstandsvorschriften in Art. 688 ZGB an die Kantone, was zu höchst unterschiedlichen kantonalen Regelungen geführt hat. Durch die Vielfalt von verschiedenen Pflanzentypen und die meist eher generell gehaltenen Regelungen entstehen teilweise Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Pflanzenarten, welche nur schwer gelöst werden können. So können einzelne Pflanzen je nach Erscheinungsform als Baum oder als Strauch gelten, was zu unterschiedlichen Abstandsvorschriften führt. Da sich der Gang vor Gericht, wie erwähnt, in aller Regel nicht lohnt, gibt es ausserdem nur wenig Rechtsprechung von oberen Gerichten zu den sich stellenden Problemkreisen, wie die erwähnte Abgrenzung zwischen den Pflanzenarten – auf welche an dieser Stellen nicht weiter eingegangen wird – und die korrekte Messweise der Abstände und Höhen.

Der Kanton Zürich hat die Abstandsvorschriften von Pflanzen in den §§ 169 ff. des Einführungsgesetzes zum Zivilgesetzbuch (EG ZGB) geregelt. Das genannte Gesetz enthält jedoch keine Vorschriften über die Messweise der verschiedenen Grenzabstände und Pflanzenhöhen. Insbesondere in den Fällen, in welchen die Nachbargrundstücke nicht auf gleichem Niveau liegen oder falls im Zusammenhang mit einem Neubauvorhaben oder der Umgestaltung eines Gartens Aufschüttungen vorgenommen wurden, stellt sich daher die Frage nach der korrekten Messweise.

3. Unklarheiten bei der Messweise

Einige Kantone haben in ihren Gesetzen, welche gestützt auf Art. 688 ZGB die Abstandsvorschriften regeln, rudimentäre Grundsätze zur Messweise aufgestellt, während andere – wie der Kanton Zürich – in ihren Erlassen keine Regelungen zu dieser getroffen haben. Es stellt sich daher die Frage, wie die Abstände und Pflanzenhöhen zu messen sind.

Weitgehend Einigkeit besteht darüber, dass der Abstand von Pflanzen grundsätzlich die kleinste Distanz zwischen dem Mittelpunkt des Stammquerschnitts an der Erdoberfläche und der Grenzlinie darstellt. Bei Hecken und Sträuchern finden sich in den verschiedenen Kantonen unterschiedliche Regelungen. Teilweise wird vom Stamm der Pflanze, bei mehreren solchen vom grenznächsten Trieb, teilweise ab "Gehölzrand" gemessen. Da in einer horizontalen Linie zu messen ist, werden Niveau-Unterschiede zwischen den Nachbargrundstücken grundsätzlich nicht berücksichtigt.

Bei der Messung der Pflanzenhöhe wird, was nahe liegt, vom Fuss der Pflanze – über der Erdoberfläche – bis zur Spitze gemessen. Daraus folgt, dass Niveauunterschiede zum Nachbargrundstück auch bei der Messung der Pflanzenhöhe unberücksichtigt bleiben, was die Frage aufwirft, wie mit durch Aufschüttungen entstandenen Veränderungen des Terrains umgegangen wird.

4. Der Entscheid des Zürcher Baurekursgerichts

Das Zürcher Baurekursgericht hat diese – eigentlich das Privatrecht beschlagende – Frage bereits im Jahre 2004 nach einem Baurekurs in einem wenig beachteten Entscheid geklärt (BRKE I Nr. 0353/2004 vom 26. November 2004 = BEZ 2005 Nr. 13). Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Gemeinderat einer Zürcher Gemeinde hatte im Jahre 2004 die baurechtliche Bewilligung für die Neugestaltung des Gartenbereichs eines Einfamilienhauses erteilt. Das Terrain des betreffenden Gartens war im Jahre 2000, also nur rund vier Jahre vorher, bereits aufgeschüttet und gegenüber dem Nachbargrundstück mit einer Granitmauer gesichert worden. Gegen die Erteilung der baurechtlichen Bewilligung ergriffen Nachbarn den Rekurs.

Das Baurekursgericht erwog, dass es bei der Messweise der Pflanzenhöhe auf das Niveau des Nachbargrundstücks nicht ankomme. Im Zusammenhang mit der Frage, inwiefern Aufschüttungen zu berücksichtigen sind, hielt das Gericht jedoch fest, dass auf das den aktuellen Verlauf des Terrains, nämlich das sogenannt "gewachsene Terrain", welches insbesondere auch bei der Bemessung von Gebäudehöhen eine Rolle spielt, abzustellen sei, und wendete somit § 5 der Allgemeinen Bauverordnung des Kantons Zürich (ABV) analog an, da – so das Gericht – "eine einheitliche Messweise von Gebäuden im Baurecht und von Pflanzen im Zivilrecht zu begrüssen [sei]". Damit sind Pflanzenhöhen auch nach Terrainveränderungen grundsätzlich vom (aufgeschütteten) Terrain im aktuellen Zeitpunkt aus zu messen. Gegenteiliges gilt dann, wenn in den letzten 10 Jahren bewilligungspflichtige Aufschüttungen vorgenommen worden sind. Die Dekade ist vom Zeitpunkt der Baueingabe an zurückzurechnen. Wird keine Baueingabe gemacht, da beispielsweise lediglich Bäume gesetzt werden, was nicht der Bewilligungspflicht untersteht, wäre konsequenterweise auf den Zeitpunkt der Pflanzung abzustellen.

Somit sind weit zurückliegende Veränderungen des Terrains nicht mehr zu berücksichtigen. Wurde jedoch in den letzten 10 Jahren in einem bewilligungspflichtigen Ausmass aufgeschüttet – im Kanton Zürich sind dies mehr als einen Meter oder mehr als 500 m2 Fläche –, so ist auf den früheren Zeitpunkt vor der Niveauveränderung abzustellen, und die Pflanzenhöhe ist vom hypothetischen Niveau des Bodens vor der Aufschüttung aus zu messen.

Vorbehalten bleibt ausserdem die in § 5 Abs. 2 lit. b ABV enthaltene Missbrauchsbestimmung, wonach im Hinblick auf die beabsichtigte Nutzung des Grundstückes oder zur Umgehung von Bauvorschriften vorgenommene Umgestaltungen nicht berücksichtigt werden. Die genannte Bestimmung erfüllt im Baurecht die gleiche Funktion wie das in Art. 2 ZGB enthaltene Verbot des Rechtsmissbrauchs. Mit anderen Worten sind Aufschüttungen, welche mit dem Zweck vorgenommen wurden, die Höhenbeschränkungen zu umgehen, rechtsmissbräuchlich und auch nach mehr als 10 Jahren nicht zu berücksichtigen.

5. Fazit

Die durch das Baurekursgericht geschaffene Klarheit ist zu begrüssen. Zu beachten ist jedoch, dass der Entscheid in dieser Form nur im Kanton Zürich gilt, da es sich bei § 5 ABV um eine kantonale Bestimmung handelt. Gegebenenfalls liesse sich aber auch gestützt auf die Erlasse anderer Kantone zum selben Ergebnis gelangen. Schliesslich ist auch offen, ob die Zivilgerichte die Auffassung des Baurekursgerichts teilen, wobei jedoch im Prinzip keine Veranlassung besteht, von den nachvollziehbaren Überlegungen des Baurekursgerichts abzuweichen.

FR/20.12.2016

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