Kündigung Mietvertrages
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Die Kündigung eines Mietvertrages ist ein Recht beider Parteien

Die Kündigung eines Mietvertrages ist ein Recht beider Parteien.

1. Einleitung

In den Medien liest und hört man immer wieder, dass Mieter die Kündigungen ihres Vermieters von Mietverträgen über Wohn- und Geschäftsräume erfolgreich angefochten hätten. Dabei werden die Vermieter nicht selten plakativ als die Bösen und die Mieter als die Opfer dargestellt. Die Häufung solcher Meldungen führt dazu, dass in der Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, dass sich ein Vermieter, welcher ein Mietverhältnis über Wohn- und Geschäftsräume kündigt, an sich schon unanständig verhält. So müssen Vermieter, welche eine solche Kündigung ins Auge fassen, heute stets damit rechnen, dass sie in der Folge in den Medien negativ dargestellt werden. Auch gehen viele Mieter davon aus, dass ihr Mietvertrag nie gekündigt werden wird, und fallen aus allen Wolken, wenn dies dann doch geschieht.

Es ist deshalb angezeigt, die rechtlichen Grundlagen der Kündigung von Mietverträgen über Wohn- und Geschäftsräume in Erinnerung zu rufen. Dabei beschränken sich die Ausführungen auf die ordentliche Kündigung.

2. Grundsatz: Kündigung ist zulässig

Unbefristete Mietverträge dürfen von beiden Parteien unter Wahrung der vertraglichen oder, wenn keine solchen vereinbart wurden, gesetzlichen Fristen und Termine gekündigt werden (Art. 266a Abs. 1 OR).

Die Kündigung ist also ein vertragliches Recht, welches gleichermassen vom Mieter wie auch vom Vermieter ausgeübt werden kann.

So hat auch das Bundesgericht in einem neueren Urteil festgehalten:

"Eine ordentliche Kündigung des Mietvertrages setzt keine besonderen Kündigungsgründe voraus. Mieter und Vermieter sind grundsätzlich frei, das (unbefristete) Mietverhältnis unter Einhaltung der vertraglichen oder gesetzlichen Fristen und Termine zu kündigen (Art. 266a OR)." (Urteil des Bundesgerichts 4A_327/2015 vom 9. Februar 2016, E. 3.2.1).

Meist haben die Parteien im Mietvertrag geregelt, unter welchen Voraussetzungen der Mietvertrag gekündigt werden darf. Haben sie dies nicht, gelten die gesetzlichen Fristen und Termine. So oder anders ist das Kündigungsrecht in aller Regel klar, und beide Parteien müssten sich dessen bewusst sein. Hat eine Partei ein besonderes Interesse an einer langjährigen Vertragsdauer, so hat sie darum besorgt zu sein, dass dies auch im Vertrag so festgehalten wird. Andernfalls hat sie grundsätzlich auf jeden Kündigungstermin hin mit einer Kündigung zu rechnen.

3. Ausnahme: Kündigung ist missbräuchlich

Eine Kündigung eines Mietvertrages über Wohn- und Geschäftsräume ist dann missbräuchlich, wenn sie gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstösst (Art. 271 OR).

Im Umkehrschluss legt damit der Gesetzgeber den Grundsatz fest, dass eine Kündigung immer dann zulässig ist, wenn sie nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstösst.

Dieser Grundsatz gilt sowohl für die Kündigung des Vermieters als auch für diejenige des Mieters. Der Gesetzgeber differenziert diesbezüglich in Art. 271 OR nicht. Auch wenn eine Kündigungsanfechtung des Vermieters in der Praxis äusserst selten vorkommt, zeigt dies auf, dass es sich bei diesem Grundsatz nicht um eine einseitige, besondere Schutznorm zu Gunsten des Mieters handelt. Vielmehr handelt es sich um eine Konkretisierung von Art. 2 Abs. 1 ZGB, in welchem für jegliche Rechtsausübung die Verpflichtung statuiert wird, nach Treu und Glauben zu handeln.

Die Rechtsprechung hat die Kriterien, mit welchen eine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben begründet werden kann, wie folgt über viele Jahre und viele Entscheide hinweg herausgearbeitet:

Eine Kündigung gilt dann als treuwidrig, wenn sie ohne objektives, ernsthaftes und schützenswertes Interesse des Vermieters und damit aus reiner Schikane erfolgt oder Interessen der Parteien tangiert, welche in einem krassen Missverhältnis zueinander stehen. Massgebend für die Frage, ob eine Kündigung gegen Treu und Glauben verstösst, ist dabei die Situation im Zeitpunkt, in welchem sie ausgesprochen wird (Beispielhaft: BGE 140 III 496, E. 4.1, S. 497; 138 III 59, E. 2.1; je mit weiteren Hinweisen).

Dies sind die Massstäbe, an welchen sich jede Kündigung messen lassen muss. Die Rechtsprechung zeigt, dass diese Kriterien eine vernünftige Abgrenzung ermöglichen und so in aller Regel dem Interesse beider Vertragsparteien ausgewogen Rechnung getragen werden kann. Dies zeigt auch der nachfolgende Blick in die Rechtsprechung:

4. Rechtsprechung

4.1 Kündigung im Hinblick auf einen Neubau

Der Vermieter hat ein schützenswertes Interesse daran, frei über sein Eigentum verfügen zu können. Er darf deshalb auch ein Mietobjekt abbrechen, um es durch ein neues Gebäude zu ersetzen. Dabei setzen die erwähnten Kriterien des objektiven, ernsthaften und schützenswerten Interesses voraus, dass überhaupt ein entsprechendes Projekt vorliegt und dieses objektiv auch realisierbar ist (Urteil des Bundesgerichts 4A_503/2013 vom 5. März 2014, E. 4.2; Urteil des Bundesgerichts 4A_726/2012 vom 30. April 2013, E. 1.2; vgl. auch BGE 136 III 190, E. 4, S. 194/195).

4.2 Kündigung im Hinblick auf eine Sanierung

Als Eigentümer ist der Vermieter verpflichtet, die Liegenschaft regelmässig zu unterhalten. Wann und wie er dies machen will, unterliegt grundsätzlich seinem Entscheid (BGE 135 III 112, E. 4.2). Will der Vermieter die vermietete Liegenschaft sanieren, darf er die betroffenen Mietverträge kündigen, wenn die Vornahme der geplanten Arbeiten durch das Verbleiben der Mieter im Mietobjekt erschwert oder verzögert würde. Dabei setzt das Bundesgericht eine Erschwernis oder Verzögerung voraus, die zumindest nicht als unerheblich bezeichnet werden kann (Urteil des Bundesgerichts 4A_327/2015 vom 9. Februar 2016, E. 3.2.1; BGE 140 III 496, E. 4.1, S. 497; BGE 135 III 112, E. 4.2, S. 120). Auch hier setzen die erwähnten Kriterien insofern Grenzen, als dass das Projekt des Vermieters realitätsnah und objektiv möglich sein muss (BGE 140 III 496, E. 3.2.1, S. 499). Ansonsten hat der Vermieter auch kein schützenswertes Interesse an seinem Ansinnen. Eine rechtskräftige Baubewilligung setzt das Bundesgericht aber zu Recht nicht voraus. Vielmehr genügt es, wenn der Vermieter im Zeitpunkt der Kündigung über ein genügend ausgereiftes und ausgearbeitetes Projekt verfügt, damit der Mieter abschätzen kann, ob die Kündigungsvoraussetzungen gegeben sind, d.h. die Sanierung durch seine Weiterbenutzung erheblich eingeschränkt wird (Urteil des Bundesgerichts 4A_327/2015 vom 9. Februar 2016, E. 3.2.1).

4.3 Kündigung wegen Eigenbedarfs

Auch dieser wohl bekannte Kündigungsgrund berücksichtigt die vorerwähnten Kriterien. So muss der Eigenbedarf für sich oder nahe Verwandte ernsthaft sein und es müssen einleuchtende Gründe für die eigene Nutzung bestehen (BGE 99 II 50, E. 2). Ansonsten mangelt es dem Vermieter an einem schützenswerten Interesse.

So erweist sich eine Kündigung wegen Eigenbedarfs dann etwa als missbräuchlich, wenn kurz vor der Kündigung gleichwertige Wohnungen frei werden und diese ohne objektiven Grund nicht für den geltend gemachten Eigenbedarf genutzt werden (Urteil des Bundesgerichts 4A_383/2012 vom 9. Oktober 2012 in: mp 2/13, S. 159).

4.4 Kündigung zur Wiederherstellung des Hausfriedens

Es liegt im Interesse des Vermieters, dass sich die Mieter in ihren Wohnungen wohl fühlen. Ergeben sich gegenseitige Unverträglichkeiten zwischen bestimmten Mietparteien, darf der Vermieter zur Wiederherstellung des Hausfriedens Kündigungen aussprechen. Dabei obliegt es dem Vermieter zu entscheiden, mit welcher der betroffenen Mietpartei er das Mietverhältnis fortführen will (Urteil des Obergerichts Zürich BG140014 vom 9. April 2015, E. 3.5). Der Vermieter darf auch beiden Mietparteien kündigen (Urteil des Obergerichts Zürich UE130110 vom 25. März 2013, E. 6). Der Vermieter hat auch nicht sofort zu handeln, wenn er von einer Unverträglichkeit erfährt, ansonsten der langmütige Vermieter schlechter gestellt würde als der harte Vermieter, der bereits nach dem ersten unangenehmen Auftreten des Mieters das Vertragsverhältnis beendet (Urteil des Bundesgerichts 4A_342/2007 vom 2. November 2007, E. 4.1).

4.5 Kündigung zur Erzielung eines höheren Ertrages

Das Bundesgericht hat verschiedentlich bestätigt, dass es dem legitimen Interesse des Vermieters entspricht, sein Eigentum möglichst gewinnbringend zu vermieten. Folgerichtig erachtet es das Bundesgericht auch als grundsätzlich zulässig, einen Mietvertrag mit der Begründung zu kündigen, dass man vom neuen Mieter einen höheren Ertrag erzielen könne (BGE 120 II 105; BGE 136 III 190, E. 3). Damit erfüllt auch eine solche Kündigung die eingangs erwähnten Kriterien.

Allerdings hat das Bundesgericht im Jahre 2008 entschieden, dass dieser Kündigungsgrund nur dann zulässig ist, wenn der Vermieter nachweisen kann, dass der höhere, von einem Dritten zu erzielende Mietzins nicht missbräuchlich ist (Urteil des Bundesgerichts 4A_472/2007 vom 11. März 2008, E. 2.1). Selbst eine solche Bedingung entspricht – lässt man die in der Lehre umstrittene Frage, wer den Nachweis der Missbräuchlichkeit zu erbringen hat, aussen vor – den eingangs erwähnten Grundsätzen, da kein schützenswertes Interesse an der Erzielung eines missbräuchlichen Ertrages bestehen kann. Das Problem liegt aber darin, dass bei der derzeitigen Rechtslage die Definition des missbräuchlichen Mietzinses im Sinne von Art. 269 ff. OR jeglichen Bezug zur Realität vermissen lässt und damit dem ursprünglichen Willen des Gesetzgebers nicht mehr gerecht wird. Im Resultat bedeutet dies, dass eine Kündigung mit der Begründung, einen höheren Ertrag erzielen zu wollen, derzeit schwierig durchzusetzen und deshalb nicht zu empfehlen ist.

4.6 Kündigung im Hinblick auf eine Neupositionierung des Mietobjektes

Auch hier gelten die eingangs erwähnten Grundsätze. Der Vermieter ist Eigentümer des Mietobjektes, und er kann grundsätzlich darüber entscheiden, wie dieses genutzt werden soll. So ist er berechtigt, ein Mietobjekt zur Nutzung als Restaurant oder für den Betrieb einer Arztpraxis zu vermieten. Er ist jedoch nicht verpflichtet, diese Nutzung über die Dauer des jeweiligen Mietvertrages hinaus zu gewähren. Vielmehr steht es ihm frei, seine Meinung betreffend die Nutzung des Mietobjektes im Laufe eines Mietverhältnisses zu ändern. Eine deshalb ausgesprochene ordentliche Kündigung verletzt auch nach Auffassung des Bundesgerichts nicht den Grundsatz von Treu und Glauben (BGE 136 III 190).

In demselben Sinne ist es dem Vermieter auch erlaubt, einem Ehepaar als Mieter einer grossen Wohnung, deren erwachsene Kinder ausgezogen sind, zu kündigen mit der Begründung, die Wohnung soll wieder einer Familie mit Kindern zur Verfügung gestellt werden (Urteil des Bundesgerichts 4A_414/2009 vom 9. Dezember 2009).

4.7 Kündigung ohne schützenswertes Interesse

Beispiele für als missbräuchlich befundene Kündigungen, weil kein objektives, ernsthaftes schützenswertes Interesse vorhanden war:

Einem Ehepaar, das seit 41 Jahren im Mietobjekt wohnte, wurde der Vertrag mit der Begründung gekündigt, die Wohnung werde für den künftigen Hauswart benötigt. Die Liegenschaft verfügte über total 39 Mietobjekte, und im Gerichtsverfahren stellte sich heraus, dass im Zeitraum, als die Kündigung ausgesprochen wurde, eine gleichwertige 3-Zimmer-Wohnung in der Liegenschaft frei wurde. Das Bundesgericht hielt fest, dass die Kündigung unter den gegebenen Umständen nicht erforderlich war, um die Pläne der Vermieterschaft umzusetzen und qualifizierte die Kündigung deshalb als missbräuchlich qualifizierte (Urteil des Bundesgerichts 4A_50/2015 vom 19. Mai 2015, Originaltext auf Französisch, auf Deutsch übersetzt: mp 4/2015, S. 73 ff.).

Einer langjährigen herzkranken und depressiven Mieterin mit beschränkten finanziellen Mitteln wurde gekündigt, weil der Sohn der Alleinaktionärin der Vermieterin erstmals eine eigene Wohnung beziehen wollte, aber eine andere frei gewordene Wohnung ablehnte, weil sie über keinen Zugang zum Garten verfügte (Urteil des Bundesgerichts 4A_297/2010 vom 6. Oktober 2010).

Ein im Ausland lebender Vermieter kündigte einer betagten und seit mehr als 20 Jahren in derselben Wohnung lebenden Mieterin mit der Begründung Eigenbedarf, ohne konkrete Vorbereitungen für eine Rückkehr in die Schweiz belegen zu können. Zudem trat er wenig später eine neue Anstellung in Indien an (Urteil des Bundesgerichts 4A_575/2008 vom 19. Februar 2009).

Ruf/28. November 2016

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