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Baubewilligung für das Pflanzen von Bäumen
Urteil des Bundesgerichts 1C_325/2016 vom 25. November 2016.
1. Sachverhalt
Das Bundesgericht hatte sich kürzlich mit folgendem Sachverhalt zu befassen:
Der Eigentümer eines Grundstückes in einer für ihren Wintertourismus bekannten Gemeinde hatte entlang einer Strasse verschiedene Sträucher und Bäume, unter anderem Legföhren und Lärchen sowie eine Schwarzföhre, eingepflanzt. Die Eigentümer eines auf der gegenüberliegenden Strassenseite gelegenen Grundstückes verlangten hierauf von der betroffenen Gemeinde einen beschwerdefähigen Beschluss, mit welchem die Rechtmässigkeit dieser Bepflanzung nachträglich beurteilt und gegebenenfalls bewilligt werde. Die betroffene Gemeinde stellte sich aber auf den Standpunkt, für das Pflanzen von Bäumen brauche es keine Baubewilligung. Daraufhin erhoben die erwähnten Nachbarn Beschwerde. Sie vertraten die Auffassung, das Gemeindebauamt habe sich nicht mit der Problematik des Schattenwurfs und der dadurch verursachten Gefahr einer Vereisung der Strasse im Winter befasst und ebenso wenig berücksichtigt, dass nahe an einer Strasse gepflanzte Bäume die Schneeräumung behinderten und gelegentlich auch auf die Strasse stürzen könnten.
Der betroffene Grundeigentümer, welcher die Pflanzung vorgenommen hatte, wies in seiner Stellungnahme darauf hin, die Neubepflanzung sei lediglich Ersatz für eine frühere Bepflanzung gewesen, die durch Sturmschäden und eine Rodungsaktion der Gemeinde zerstört worden sei. Früher habe es rund 35 15-25 m hohe Fichten gehabt und zudem eine Reihe von Heckenpflanzen. Mit der Neuanpflanzung seien im Übrigen alle Grenzabstände eingehalten worden, und die Bäume seien in den gewachsenen Boden gesetzt worden, ohne dass das Gelände verändert worden sei.
Das kantonal letztinstanzliche Verwaltungsgericht wies die Beschwerde der beschwerdeführenden Nachbarn ab. Diese gelangten hierauf an das Bundesgericht.
2. Aus den Erwägungen des Bundesgerichts
Art. 22 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Raumplanung (Raumplanungsgesetz, RPG) vom 22. Juni 1979 bestimmt, dass Bauten und Anlagen nur mit behördlicher Bewilligung errichtet oder geändert werden dürfen. Bauten und Anlagen im Sinne des gesetzlichen Begriffes sind künstlich geschaffene und auf Dauer angelegte Einrichtungen, die in einer festen Beziehung zum Erdboden stehen und geeignet sind, die Vorstellung über die Nutzungsordnung zu beeinflussen, sei es, dass sie den Raum äusserlich erheblich verändern, die Erschliessung belasten oder die Umwelt beeinträchtigen. Ob eine bauliche Massnahme im Sinne der erwähnten Bestimmung eine Bewilligung erfordert, hängt davon ab, ob mit der Realisierung der Baute oder Anlage nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge so wichtige räumliche Folgen verbunden sind, dass ein Interesse der Öffentlichkeit oder der Nachbarn an einer vorgängigen Kontrolle besteht. Mit andern Worten soll die Pflicht, eine Baubewilligung einzuholen, der Behörde ermöglichen, das Bauprojekt mit Bezug auf seine räumlichen Folgen vor seiner Ausführung auf die Übereinstimmung mit der raumplanerischen Nutzungsordnung und der übrigen einschlägigen Gesetzgebung zu überprüfen.
Im Lichte der vorerwähnten Erwägungen rechtfertigt es sich nach Auffassung des Bundesgerichts in gewissen Fällen, Pflanzungen – gleich wie Bodenveränderungen durch Zäune, Abschrankungen, Teiche etc. – Anlagen gleich zu stellen, welche der Bewilligungspflicht unterstehen. Im vorliegenden Fall war nach höchstrichterlicher Auffassung demgemäss zu beurteilen, welche konkreten Auswirkungen eine Pflanzung auf die Umgebung hat. Dabei sind, so das Bundesgericht, insbesondere die Bedeutung und Art der Bepflanzung, die Oberfläche, die Dichte und ihre Anordnung sowie ihre Eingliederung in die bestehende Umgebung zu berücksichtigen.
Das Bundesgericht hiess die Beschwerde gut. Es erwog, die Vorinstanz sei zu Unrecht davon ausgegangen, eine früher vorhandene Bepflanzung verschaffe dem Grundeigentümer einen Rechtsanspruch darauf, den gleichen Zustand wiederherzustellen. Dies würde jedenfalls voraussetzen, dass auch geprüft wird, ob die früher vorhandene Bepflanzung rechtmässig gewesen sei, was die Vorinstanz unterlassen habe. Schliesslich habe sich die Vorinstanz zu Unrecht mit der Feststellung begnügt, dass die neuen Anpflanzungen lichter seien als jene, die zuvor bestanden hätten. Dies genüge im Lichte der Anforderungen, die von der Gerichtspraxis im Zusammenhang mit der Bewilligungspflicht gestellt werde, keinesfalls. Vielmehr hätte die Vorinstanz im konkreten Fall überprüfen müssen, ob die Auswirkungen der neu erstellten Bepflanzung auf die Umgebung, insbesondere im Hinblick auf die allfällige Gefährdung der Verkehrssicherheit (etwa durch Vereisung der Fahrbahn wegen Schattenwurfs, stürzende Bäume und Behinderung der Schneeräumung), hätte bewilligt werden können. Das Bundesgericht wies in der Folge das Verfahren zur Neubeurteilung des Sachverhalts im Lichte der einschlägigen Rechtsprechung an die Vorinstanz zurück (mit Verweisen auf BGE 139 II 134, E. 5.2, S. 139 f., das Urteil 1C_509/2010 vom 16. Februar 2011, E. 2.3.1 mit Hinweisen und die Urteile 1C_658/2013 vom 24. Januar 2014, E. 4.1 und 1A.276/2006 vom 25. April 2007, E. 5.2).
3. Kommentar
Landläufig herrscht die Meinung vor, das Bepflanzen eines Grundstücks erfordere keine baurechtliche Bewilligung. Wie der Sachverhalt zeigt, war auch die zuständige örtliche Baubehörde dieser Auffassung. Das Urteil des Bundesgerichts zeigt auf, dass in einem weit gefassten und grosszügigen Ermessen zugänglichen Bereich, dessen Umschreibung aus Art. 22 Abs. 1 RPG abgeleitet wird, eine solche Bewilligungspflicht angenommen werden muss. Es umschreibt sodann die Kriterien, welche die örtliche Baubehörde bei der Beurteilung eines Bewilligungsgesuches zu berücksichtigen hat.
25. Januar 2017 BR
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